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Mundart | Mundartproben

Pomattertitsch

Alte und traditionelle Sprecherin (Canza, geboren im Jahr 1924).

Di familie wa hen fee khäbä, in eh der heilig abä[1], das ischt der firuzwänzigoschtu, hen inchei millech üsgrichtet[2] in gepsä, schi hen millech älli pracht dene litu[3] wa cheini khäbä hen fer[4] desch älli chennä millechris[5] machu, wägä der abä, der heilig abä ischt in älle familiu[6] millechris gsi[7], un de hent-sch nisch gschicht mitum[8] gschirli zu den alte ol un zu den arme wa[9] nit millech khäbä hen, deru z bringä, un äso älli di wa fee khäbä hen.


Übersetzung:

Die Familien, die das Vieh hatten, am Heiligen Abend, das heisst am vierundzwanzigsten, filterten keine Milch in den „Conche“, sondern brachen sie sie jenen Leuten, die ohne Milch waren, damit alle Milchreis machen konnten, weil es an jenem Abend, der Heilige Abend, in allen Familien Reis und Milch gab. Sie schickten uns zu den Alten oder zu den Armen, die keine Milch hatten, um sie etwas zu bringen. So machten alle, die das Vieh hatten.

 
Ein jüngerer Sprecher und wenig traditionell (Chiesa, geboren im Jahr 1967).

Und wen cho[10] hei bi firi zfrido, i tö[11] finne mine gspanne, darna wen bin-i öi alleine chan-i firi[12] ummerga, ich bi zfrido äso, gfall-mer ummerga[13] und ga berga[14] löge und älli erter va hir z Pomatt … i tö,  ich gheren-i[15] nowos inna  proprio was eh töt mi zfrido macho … ich bi firi eh ich bi firi ummer wäge… mit mim wärch ich möss en bitz hir und en bitz da ga, firi ummerga. Sin äs schuppjie hipschi erter, però[16] z Pomatt ist firi z Pomatt.


Übersetzung:

Und wenn ich nach Hause komme, bin ich immer zufrieden. Ich finde meine Freunde, und auch wenn ich allein bin, kann ich immer umhergehen, ich bin so zufrieden, es gefällt mir umherzugehen, die Berge und alle Orte hier von Pomatt zu sehen, ich empfinde/spüre etwas in mir, dass mich immer zufrieden macht. Wegen meiner Arbeit bin ich immer unterwegs, ein bisschen hier und ein bisschen dort, ich muss immer umhergehen. Es gibt viele schöne Orte, aber Pomatt/Formazza ist immer Pomatt/Formazza.

Beide Texte werden von Silvia dal Negro gesammelt, übersetzt und kommentiert.


[1] Wie im Deutsch: der Heilige Abend.

[2] Man bemerkt hier, die Verschiebung eines oder mehrere Konstituenten rechts des Partizip Perfektes (Ausklammerung).

[3] Das Substantiv litu ‘Leute-Personen’ und das Demonstrativpronomen dene ‘jenen’ stehen im Pluraldativ. Der traditionelle Pomattertitsch besitzt eine grammatikalische Struktur, die flexivisch ist. Sie ist sehr reich und viel ähnlicher dem Althochdeutsch und dem Mittelhochdeutsch als das heutige Deutsch.

[4] Fer ‘um/damit’ führt einen Finalsatz ein, der teilweise dem italienischen Satzbau folgt.

[5] Wie im Deutsch: Milchreis, aber das Wort im Pomattertitsch zeigt eine andere Struktur als der italienische Ausdruck riso e latte. Im Rheinwald kann man ein ähnliches Wort (milchriisf) finden, aber keines zum Beispiel im Rimella (bénéntschu) und keines auch im Issime (dickhje réis, wörtlich ‘dicker Reis’).

[6] Auch hier kann man deutlich die Endungen des Plural Dativs erkennen. In diesem Zusammenhang findet man eine lokale Angabe, die den Dativ regiert, das ist eine Eigenschaft der deutschen Sprache, die gerade die Walser Dialekte in Italien verlieren.

[7] Der Pomattertitsch hat kein Präteritum als die süddeutschen Dialekte. Die Zeitformen der Vergangenheit werden mit dem Perfekt ausgedrückt, hier zum Beispiel: isch … gsi, wörtlich ‘es hat gegeben/ ist gewesen’, eigentlich ‘es gab/war’.

[8] Das ist eine mit dem Artikel verschmolzene Präposition. Sie besteht aus mit ‘mit’ und dem Neutrum Artikel, der im Dativ steht. Die Präposition zu regiert den Dativ, das zeigt sich deutlich sowohl in dem Artikel als auch in beiden substantivierten Adjektiven. 

[9] Der Relativsatz, wie zum Beispiel in den schweizerischen Dialekten, wird durch die undeklinierbare Partikel wa ‘wo’ eingeführt. In dem traditionellen Pomattertitsch, diese Partikel verlangt das Verb am Ende des Satzes. Beide genannte Relativsätze zeigen die Folge Partizip Perfekt – Hilfsverb, wie in dem Hochdeutsch (Standarddeutsch). 

[10] Der jüngere Sprecher verhält sich anders als die alte Sprecherin, er verwendet verschiedene Verben ohne das Subjekt Pronomen, wie auf italienisch.  

[11] Viele Sprecher von Pomatt, besonders diejeinge, die wenig traditionell sind, benutzen diese verbale Umschreibung /Periphrase.  Sie besteht aus dem Verb tun ‘tun’ (ähnlich dem englischen Verb do), das von dem Infinitiv Hauptverb  gefolgt wird. Die Periphrase hat keine besondere Bedeutung, sie vereinfacht die Konjugation der Verben.

[12] Das Adverb  firi ‘sempre’ hat eine unbestimmte Etymologie. Es ist nur im Pomatt bezeugt.

[13] Die Verben mit einer trennbaren Partikel sind sehr häufig, wie in der deutschen Sprache.

[14] Hier kann man einen Plural mit –a bemerken. Die Endung mit –a ist eine Eigenschaft der starken, maskulinen Substantive des Altohochdeutsches.

[15] Nach dem italienischen Vorbild erweitert das Verb ghere ‘hören’ seine Bedeutung. Es bezeichnet auch das Empfinden in der Seele. Hier findet man zwei Subjekt Pronomen (ich empfinde-ich), das zweite Subjektpronomen gehört zu dem Verb (das ist auch eine Eigenschaft des neuen-heutigen Pomattertitsches).

[16] In den Walser Dialekten, die im Italien gesprochen werden, sind die funktionelle Wörter, wie hier zum Beispiel  però (proprio), sehr zahlreich. Diese Wörter werden von der italienieschen Sprache oder von den umstehenden Dialekten übernommen. In dem Pomattertitsch ist die Adversativkonjunktion aber noch verwendet (während im Rimella ist sie von ma und però ersetzt worden).

Deutsche Übersetzung: Federica Antonietti Sprach-Büro Walser Pomatt/Formazza.

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